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Autor Thema: Urkalk  (Gelesen 3055 mal)

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Offline Angler

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Urkalk
« am: 08 Apr 18, 12:24 »
Hallo liebe Experten,
die brandenburger Rentnerband bittet Euch mal wieder um Hilfe. Wir haben im Winter unsere Geschiebefunde getrommelt. Dabei hat sich auch ein Stück Marmor (3 x 3 x 2,5cm) unter die Quarzkiesel gemischt. Bei unserem Versuch dem Marmor einen Namen bzw. Herkunftsort zu zuordnen, sind wir in Netz und Literatur auf viele Hinweise wie Informationen gestoßen. Aber eine Frage bleibt für uns Laien offen.

Gibt es außer dem Anstehenden in Mittelschweden noch andere Lagerstätten in Skandinavien, die nicht dem svekofennidischen Grundgebirges zu zurechnen sind und somit nicht als Urkalk bezeichnet werden dürfen?
Kann man also die Marmorfunde in den Geschieben Nord/Ost-Mecklenburgs, Brandenburgs bis nach Berlin grundsätzlich als Urkalk bezeichnen oder gibt es Gründe, die dem entgegenstehen (entsorgte alte Tischplatten, mal ausgenommen ;D)?

Schon mal im Voraus recht herzlichen Dank für Eure Hilfe!

VG Michael 

Offline karlov

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Re: Urkalk
« Antwort #1 am: 09 Apr 18, 20:42 »
Hallo Michael,
die meisten Marmorfunde dürften den zahlreichen kleinen und weit verstreuten Vorkommen in den Svekofenniden entstammen, wenn nicht sogar alle. Über entsprechend jüngere, aber doch mindestens 1 Ga alte Marmorvorkommen ist mir nichts bekannt. Im Geschiebe wird Marmor meist als "Ophicalcit" gefunden, dann häufig in der schönen Farbkombination weiß-(Calcit)-grün (irgendwas mit Serpentinmineralen +/- Amphibol, Pyroxen), gleichwohl in vielen Urkalkvorkommen der reine, weiße Calcitmarmor überwiegt (und abgebaut wurde). Wenn diese typischen Serpentinminerale sowie Glimmer komplett fehlen, wird es einem abgerollten Stück schwierig mit der eindeutigen Bestimmung als Marmor, zumal etwas beigemengter Quarz schwer zu erkennen ist. Denkbar wäre auch eine rekristallisierte Partie aus einem Sediment, z.B. Paläoporellenkalk. Möglicherweise ist es allein anhand der Körnung/Textur davon unterscheidbar. Ist an Eurem Stück etwas Glimmer zu beobachten? Ich kann nichts dergleichen erkennen, würde der Textur nach aber auch auf Urkalk tippen.
Grüße,
karlov

Offline karlov

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Re: Urkalk
« Antwort #2 am: 09 Apr 18, 21:00 »
Die Schweden unterscheiden übrigens "marmor": kristalliner Kalkstein, der in Blöcken gebrochen wird und "urkalk": zusammenfassend für kristallinen Kalkstein oder Dolomitmarmor aller Art. Petrographisch spricht man von reinem (Calcit- oder Dolomit)-Marmor, unreinem Marmor mit Übergang zu Kalksilikatgesteinen. Die Grenzen sind hierbei fließend.
Interessant fände ich die Frage, wie die in der Regel etwa 1,9 Ga alten Marmore aus Karbonatsedimenten entstanden sein sollen. Durch welche kalkfällenden Organismen? Ist die Genese dieser svekofennischen Marmore geklärt?

Offline Angler

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Re: Urkalk
« Antwort #3 am: 10 Apr 18, 12:36 »
Hallo karlov,

erst einmal recht herzlichen Dank für Deine ebenso lehr- wie hilfreichen Ausführungen.

Glimmer ist im Ist-Zustand auch von uns nicht festzustellen. Oberflächlich ist an einigen wenigen, kleinen Riss- bzw. Anplatzstellen braun/gelbliche Substanz zu sehen (vermutlich Eisen), das sich später angelagert haben sollte. Auf Bild 4 kann man eine horizontale Schichtung als etwas dunkel graue Streifen erahnen (Graphit ???, in der Hand deutlicher sichtbar).

Leider haben wir beim Sammeln den Urkalk nicht erkannt und so geriet er in die Trommel. Der Rohstein wäre wahrscheinlich aussagekräftiger gewesen. Damit sind auch andere typische Begleitminerale an dem kleinen Stein makroskopisch nicht mehr identifizierbar. So ist eine genaue Feststellung seiner Herkunft ohne großen Aufwand wohl kaum möglich.

Da Dir auch keine jüngeren skandinavischen Marmor-Lagerstätten bekannt sind, freut uns schon ein wenig. Also haben wir nicht so schlecht recherchiert und die Bilder im Internet zu den typischen Vorkommen in Längban, Nordmarka, Falun, Sala, Dannemora und Kolmärden, haben wir uns ausgedruckt, um bei unseren zukünftigen Sammeltouren, Urkalk hoffentlich besser identifizieren zu können. 
Da es auf unserer Fahrstrecke des Eises einige Nachweise von Kolmärden-Marmor aus dem Geschiebe bis hin nach Berlin gibt und auch rein weiße Stufen von dort beschrieben werden, tippen wir am ehesten auf seine Herkunft von dort. Aber das ist natürlich nur eine unbelegbare Annahme.

Interessant fände ich die Frage, wie die in der Regel etwa 1,9 Ga alten Marmore aus Karbonatsedimenten entstanden sein sollen. Durch welche kalkfällenden Organismen? Ist die Genese dieser svekofennischen Marmore geklärt?

Da triffst Du unseren Nerv. Bei so manchem Bier haben wir darüber diskutiert, woher der so stark überprägte Kalk von vor 1,9 – 2 Ga stammen könnte. Um es vorweg zu nehmen, wir haben bisher dazu weder in der Literatur noch im Netz seriöse Hinweise gefunden. So haben sich bei uns zwei Lager gebildet. Die einen vermuten Kalkalgen, als Ursprung und begründen dies mit der Dokumentation von Stromatolithen, welchen (nach Naturkundemuseum Berlin) ein Alter von 2,1 Ga nachgewiesen wurden und neusten Dokumentationen zur Folge, sogar von 2,3-2,4 Ga zugesprochen werden.
Die andere Fraktion hält eine chemische Ausfällung von Kalk bzw. die massenhafte Verdunstung von Meerwasser und damit verbundener Ablagerung für wahrscheinlicher.

Sehr spannend, was da unsere Wissenschaftler noch ermitteln können, bis dahin werden hier Wetten angenommen (Einsatz min. 1 Bier). :)

VG Michael
« Letzte Änderung: 10 Apr 18, 12:44 von Angler »

Offline Sprotte

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Re: Urkalk
« Antwort #4 am: 12 Apr 18, 12:33 »
Hallo,

eine wichtige Publikation, die sich speziell mit Marmorgeschieben beschäftigt, ist folgende:

W.A. Bartholomäus, M. Schliestedt: Marmore als Urkalkgeschiebe. In: Archiv für Geschiebekunde, Band 5, Heft 1/5. Hamburg, Greifswald (2006), S. 27 - 56

Insgesamt habe ich bisher vier Marmorgeschiebe gefunden, die pretrografisch (bis auf den dominanten Calcit) höchst unterschiedlich aufgebaut sind.

Viele Grüße
Sprotte

Offline Angler

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Re: Urkalk
« Antwort #5 am: 12 Apr 18, 17:30 »
Hallo Sprotte,
vielen Dank für die Nennung dieser Quelle. Jetzt werden wir mal schauen, ob wir diese Publikation bekommen können. Ist schon eine spannende Sache mit dem Urkalk.

VG Michael

Offline karlov

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Re: Urkalk
« Antwort #6 am: 15 Apr 18, 08:04 »
Moin,
das Problem an den Marmorgeschieben ist, dass sie sich kaum bestimmten Lokalitäten zuordnen lassen. Dafür gibt es zu viele kleine Vorkommen. Der Kolmarden-Marmor ist deswegen so bekannt, weil er as Zierstein "in alle Welt" exportiert wurde. Wikipedia hat ein Verzeichnis der Bauwerke, an denen dieses Material verwendet wurde. Im weiteren Gebiet gibt es mehrere Vorkommen, an denen ein Marmortyp abgebaut wurde, den die Schweden "Kolmarden-Typ" nennen. Das ist aber ein Lokalname und kein Leitgeschiebe, weil nicht zuverlässig bestimmbar. Es muss damit gerechnet werden, dass andernorts ähnliche Marmorvarietäten vorkommen. So sieht der Kolmarden-Typ übrigens aus (Proben vom Anstehenden):


Offline karlov

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Re: Urkalk
« Antwort #7 am: 15 Apr 18, 08:10 »
Hier einige Brandungsgerölle von einer Abraumhalde auf der Insel Oaxen (S Södertälje). Die hellgrün-weiße Marmorvarietät wurde aufgehaldet und ist der Typ, der im Geschiebe am leichtesten erkannt werden kann, weil bunt und auffällig. Abgebaut wurde dort aber der weiße Marmor (oben links), der in diesem Falle ebenfalls wenig grüne Serpentinminerale führt.

Grüße,
karlov

Offline Angler

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Re: Urkalk
« Antwort #8 am: 15 Apr 18, 20:08 »
Hallo karlov,
vielen Dank für die schönen Bilder.

Moin,
das Problem an den Marmorgeschieben ist, dass sie sich kaum bestimmten Lokalitäten zuordnen lassen. Dafür gibt es zu viele kleine Vorkommen.

Ja, das hatten wir schon befürchtet. Wie Du bestimmt weißt, versuchen Laien und nur mittelmäßig begabte Menschen oft zu Generalisieren bzw. schablonenhaft zu denken, weil uns das die Zu-/Einordnung erleichtert und erheblich beschleunigt. ;D
Je mehr wir uns in die Geschiebekunde einarbeiten, um so klarer wird uns, dass auch hier die Welt leider nicht so einfach ist, wie wir sie gelegentlich gerne hätten. :-\

Wir werden also unsere zukünftigen Marmor-Funde nur sehr vorsichtig als Urkalk ausweisen und dessen angegebene Herkunft deutlich als "Vermutung" kennzeichnen.

Herzlichen Dank und eine erfolgreiche Arbeitswoche für Dich!

VG Michael   

Offline karlov

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Re: Urkalk
« Antwort #9 am: 15 Apr 18, 21:18 »
Hallo Michael,

Zitat
Laien und nur mittelmäßig begabte Menschen
  ;D
Das ist der normale Weg, jeder fängt so an, vom Grobem zum Feinen. Das Problem dabei ist nur, dass manche Bestimmungsbücher und Internetquellen suggerieren, man könnte mit ihrer Hilfe zu weitreichenden Aussagen/Bestimmungen kommen, was mitnichten der Fall ist, je näher man sich mit der Materie, in diesem Fall den Geschieben, beschäftigt. Eine einzige Reise ins Anstehende zeigt, was die Bücher alles verschweigen (und wer von wem abgeschrieben hat). Die Bestimmung "Urkalk, wahrscheinlich svekofennisch" ist auf jeden Fall realistischer als "Kolmarden-Marmor, Herkunft aus der Nähe von Norrköping". Und nicht weniger wert, nur weil kein Lokalname verwendet wurde.

Viele Grüße,
Marc

 

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