Hier Teil 2: Florins taxonomisches Konzept der Walchien und die neuen Gattungs-Konzepte.
Der Gattungsname
Lebachia wurde von Rudolf Florin (1938) - im ersten Heft seiner großen Monographie - eingeführt und sollte fortan, als "natürliche Gattung", alle früheren (und zahlreiche neue)
Walchia-Arten vereinen bei denen der Bau der Epidermis und der Reproduktionsorgane halbwegs bekannt ist - sofern sie nicht der (validen!) natürlichen Gattung
Ernestiodendron Florin, 1934 angehören.
Der alte Gattungsname
Walchia Sternberg, 1825 sollte als reine Formgattung für alle Walchiaceen weiterbestehen, bei denen der Bau der Epidermis und v.a. der Bau der weibl. Zapfen noch unbekannt sind. Ein "taxonomischer Mülleimer" (taxonomic waste basket) würde man heute dazu sagen. ..hier landete der unsichere Rest.
Eine der etwas unglücklichen Konsequenzen aus diesem Konzept ist, das einige morphologisch eindeutig zu
Ernestiodendron gehörenden Arten (mit starr senkrecht abstehenden, nicht herablaufenden Nadeln!), deren Epidermis und Zapfen aber noch weitgehend unbekannt sind, so per Definition zu
Walchia wurden. Das war sogar Florin selbst etwas unangenehm. Er führte die betreffenden "Arten" deshalb in der Schreibweise:
Walchia (
Ernestiodendron?)
germanica. Später wurde für diese Arten die neue Formgattung
Hermitia Kerp & Clement-Westerhof, 1986 aufgestellt. (Mehr dazu später im Lexikon.)
Das sind aber nur kleine Probleme. Kommen wir zu den schwerwiegenden:
Aufgrund schwerer formaler Fehler bei der Wahl des Generotypus ist die Gattung
Lebachia ungültig! ..Erläuterung:
Florin wählte das Exemplar Taf. XXIII, fig. 1a in Schlotheim’s Petrefaktenkunde (1820), Samml.-Nr. λ 117, zum Typus seiner
Lebachia. Das Original stammt vom Frauengraben ("Streitgern") bei Kleinschmalkalden im Thür. Wald und ist in Berlin bis heute erhalten. Da dieses Exemplar hochgradig inkohlt ist und keine Untersuchung der Epidermis (bzw. Kutikula) zulässt, wählte Florin ein morphologisch sehr ähnliches, mazerierbares Exemplar aus Lebach (Nonnweiler) zum "Hilfstypus".
Dieses Typus-Konzept ist unhaltbar:
Ein Exemplar das entscheidende Gattungs-definierende Merkmale gar nicht zeigt, kann auch nicht der Typus dieser Gattung sein! Außerdem kann man unmöglich beweisen, dass der "Hilfstypus" (aus einem anderen Becken!) wirklich die gleiche Art ist und die gleichen Epidermis-Merkmale hat.
Darüber hinaus können die Schlotheim’schen Originale zu
Lycopodiolithes piniformis nicht gleichzeitig Typus zweier unterschiedlich definierter Gattungen: der Formgattung
Walchia Sternberg & der natürlichen Gattung
Lebachia Florin sein!
Nachdem mehrere Autoren darauf hinwiesen das
Lebachia kein valides Taxon darstellt, wurde die Gattung von J.A. Clement-Westerhof (1984) offiziell wieder eingezogen.
Damit wird aus
Lebachia piniformis wieder
Walchia piniformis – die jetzt aber ausdrücklich keine Morphospecies mehr ist, sondern ein natürliches Taxon! Denn wir kennen ja die Epidermis der
Walchia piniformis (in Thüringen nur von Crock – da aber sehr gut!) sowie ihre männlichen und weiblichen Zapfen. Letztere tragen offenbar nur eine anatrope Samenanlage (und sehr wenige sterile Blätter) in jedem fertilen, zur Organgattung
Walchiostrobus (Florin, 1940) emend. Kerp & Clement-Westerhof, 1991 gehörenden Kurztrieb.
Aber Achtung! Jetzt wird die Sache richtig kompliziert! Denn..
Was soll jetzt mit den anderen Lebachia-Arten passieren? Die einfachste Lösung wäre natürlich sie alle
Walchia zuzuordnen, schließlich wurden sie ja vorher auch alle
Lebachia zugeordnet. Aber bei vielen
Lebachia-Arten Florins ist völlig ungewiss ob sie wirklich ähnliche weibl. Zapfen wie
W. piniformis haben (ein Problem das auch schon Florin bewusst war!).
Eine sichere Zuordnung zum "natural genus"
Walchia ist damit objektiv nicht gegeben –
darum muss eine neue Formgattung her!(Ganz so zwingend war das eigentlich nicht – es hätte durchaus eine bessere Lösung gegeben!)
Ich versuche mal die Lösung von Clement-Westerhof (1984) zu erläutern, dazu muss ich leider etwas ausholen:
1964 wurden (unabhängig voneinander) zwei neue Gattungen urtümlicher Koniferen aus dem Oberperm beschrieben:
Ortiseia Florin aus dem Val Gardena und
Culmitzschia Ullrich aus dem deutschen Zechstein. Beide unterscheiden sich nur geringfügig im Bau der Epidermis. Da Florins Arbeit einige Wochen früher erschien, wurde
Culmitzschia von späteren Autoren meist als Synonym von
Ortiseia aufgefasst.
J.A. Clement-Westerhof (1984) emendierte
Ortiseia. Sie ergänzte die Fassung der Gattung um detaillierte anatomische Merkmale der weibl. Zapfen und machte
Ortiseia damit zu einem natürlichen Taxon. (Mehr dazu später im Lexikon).
Ich formuliere den folgenden Absatz mal etwas salopp: Dabei bleibt
Culmitzschia (deren Zapfen unbekannt sind) als "Rest" übrig: eine urtümliche Koniferen-Gattung (Formgattung!) mit spiralig ansitzenden, herablaufenden, amphistomatischen Nadelblättern..
Diese und weitere Merkmale der
Culmitzschia gelten im Prinzip für viele urtümliche Koniferen – so auch für die "heimatlos" gewordenen ehemaligen
Lebachia-Arten, die nicht sicher den natürlichen Gattungen
Walchia (und später noch
Otovicia) zugeordnet werden können.
Die Idee von Clement-Westerhof war nun, die Formgattung
Culmitzschia Ullrich (definiert nur durch die generelle Morphologie und Epidermismerkmale) für diese
Lebachia-Arten anzuwenden. Das war durchaus clever gedacht! ..v.a. sollte es auch die Aufstellung einer neuen Formgattung (ohne echte neue Erkenntnisse!) vermeiden. Aber in der Praxis bringt diese Lösung neue Probleme mit sich.
Die gravierendsten Probleme versuche ich mal kurz zu erläutern. (Bitte teilt mir mit, wenn es zu unverständlich sein sollte - dann bemühe ich mich noch mal um mehr Klarheit!)
Wenn die vielen
Lebachia-Arten Florins gut definierte, von
Walchia piniformis morphologisch klar unterscheidbare Taxa wären, dann hätte die
Culmitzschia-Lösung funktioniert!
Aber das sind sie nicht! Viele dieser Arten unterscheiden sich nur durch subtile Unterschiede im Anstellwinkel der Nadelblätter o.ä. von
Walchia piniformis. Besonders auffällig ist das bei Formen wie "
Lebachia"
angustifolia (Nadeln angelegt und schmaler) oder "
Lebachia"
parvifolia (Nadeln kleiner und angelegt, Zweige oft sehr dünn).
Diese Formen kommen fast immer zusammen mit "normalen"
W. piniformis in den gleichen Schichten vor und es gibt morphologische Übergänge bei denen man nicht sicher sagen kann ob das jetzt schon eine
angustifolia oder immernoch eine
piniformis ist.
Sehr wahrscheinlich handelt es sich nur um Variationen der gleichen biologischen Species:
Walchia piniformis!
Es macht daher keinen Sinn, die "Endpunkte" dieser Variationsbreite mit einer anderen Gattung zu benennen - noch dazu mit einer die 30 Millionen Jahre später im Zechstein lebte und morphologisch keiner dieser drei Rotliegendformen nahesteht (die Blätter der
Culmitzschia florinii Ullrich (Typespecies) aus dem Zechstein sind 2cm groß und breit dreieckig!)
Darüber hinaus ist die Gattung
Culmitzschia (definiert auch durch Epidermis-Merkmale) auf Material ohne erhaltene Epidermismerkmale (wie im Th. Wald!) strenggenommen gar nicht anwendbar.
Ähnliches gilt übrigens auch für die großnadelige "
Lebachia"
speciosa die von "
Lebachia"
frondosa morphologisch nicht zu unterscheiden ist (Lausberg & Kerp, 2002, Barthel 2006, 2010) und Übergänge zur "
Lebachia"
laxifolia (Nadeln morphologisch gleich, ähnlich abgespreizt, meist nur etwas kleiner und lockerer stehend) zeigt.
Es ist möglich, das
speciosa tatsächlich eine andere Art als
piniformis darstellt – aber die etwas größeren und etwas steiler angestellten Nadeln allein, rechtfertigen auch hier keine generische Trennung von
Walchia!
..Ein späterer Vorschlag von Mapes & Rothwell (1991) die Situation, in etwa, im alten Florin'schen Sinne beizubehalten ist leider grandios vermasselt worden! Mapes & Rothwell wollten die verwaisten
Lebachia-Arten einfach durch eine neue Formgattung (
Utrechtia) ersetzen – was, wie ich gerade erläutert habe, vielleicht doch besser wäre als sie der Zechsteingattung
Culmitzschia zuzuordnen.
Doch sie vergaßen die neue Gattung
Utrechtia gültig zu definieren und einen Typus zu bestimmen –
sie ist daher eindeutig invalid!Das ist umso unverständlicher, weil allen Bearbeitern (auch Mapes & Rothwell, 1991 in Nordamerika) die Gründe für den invaliden Status der
Lebachia in vollem Umfang bewusst waren!
..im
Teil 3 gehe ich nochmal auf das Art-Konzept Florins ein und darauf wie man heute mit der Situation umgehen kann - damit eine sinnvolle, praxistaugliche Taxonomie wieder möglich wird!
Denn die wohl fatalste Folge der derzeitigen Situation ist die, dass selbst paläobotanisch sehr versierte Sammler resigniert haben:
http://pflanzenfossilien.homepage.t-online.de/Perm%20Coniferales.html ..nur mal als Beispiel: "
Was nun richtig ist, sollte erstmals jeder für sich entscheiden." Meyer 2012
Es gibt aber einen Ausweg!
Viele Grüße
Euer Stephan