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Autor Thema: Oslo-Essexit?  (Gelesen 2780 mal)

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Offline Angler

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Oslo-Essexit?
« am: 22 Jul 19, 13:03 »
Hallo werte Experten und Foristen,
der Stein, den wir Euch heute zeigen wollen, ist in den Kiesgruben im nordöstlichen Brandenburg selten und unser Erstfund. Er kommt aus dem Gebiet um Oslo und soll nach Dr. Frank Rudolph 295 Mill. Jahre alt sein.
Die polierte Fläche ist max. 9cm lang und max. 7cm hoch, die Plagioklase sind bis 1,3cm lang. Es ist schon selten, dass wir ein Geschiebe soweit eindeutig zuordnen können. Trotzdem bleibt eine Frage offen, bei der wir wieder auf Eure Hilfe hoffen.
Wir haben unseren Stein mit den entsprechenden Bildern bei skan-kristallin verglichen und dabei festgestellt, dass auch der porphyrische Kauaiit unserem Stein sehr ähnelt. Beide Varianten kommen aus Oslo-Ullernäsen und sollen sich laut Dr. Rudolph nur durch das Fehlen von Nephelin und der Größe der schwarzen Augite in der Matrix unterscheiden.

Nach mehreren „Kongressen“ bei Kaffee und Kuchen ;), wollte sich hier niemand festlegen, was er nun ist, Essexit oder Kauaiit. Die Bilder von der Außenseite des Steins geben nicht ganz hundertprozentig die originalen Farben wieder. Ich würde sie als graubräunlich mit leichtem Grünstich bezeichnen. Weswegen wir etwas zum Essexit tendieren, aber auch stundenlange Vergleiche der Schliffbilder, brachten kein eindeutiges Ergebnis. ::)
Nun hoffen wir auf Eure trainierten und geschulten Augen!!!

Wie immer unseren herzlichsten Dank für Eure Bemühungen im Voraus!

VG von der Rentnerband und Michael
« Letzte Änderung: 22 Jul 19, 20:10 von Angler »

Offline Johannes Kalbe

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #1 am: 23 Jul 19, 10:25 »
Da seid ihr mit der Bestimmung ja schon weit gekommen.  ;D

Ich erkenne an dem gezeigten Stück keine Foide (edit: die leistenförmigen Einsprenglinge sehen für mich eher aus wie Plagioklas, konntet ihr die anders bestimmen?), daher tue ich mich mit Essexit etwas schwer. Und Kauaiit ist doch kein Gestein, sondern ein Mineral (Alkali-Aluminium-Sulfat?).

Da aus dem gesamten skandiavischen Raum x dunkle Ganggesteine kommen, die sich i.d.R. im Geschiebe nur schwer zuordnen lassen, würde ich hier von der Bestimmung bei einem (magnetithaltigen?) Gabbro mit eingeregelten Plagioklasen bleiben.

Anbei ein schneller Scan von einem vergleichbaren Stück aus meiner Sammlung mit einem Fundort in Vorpommern, der das Oslogebiet als Herkunftsregion definitiv ausschließt...
« Letzte Änderung: 23 Jul 19, 10:51 von Johannes Kalbe »

Offline Angler

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #2 am: 23 Jul 19, 15:01 »
Hallo Johannes,
Foide sehen wir auch nicht, sondern Plagioklase wie Du und das steht auch oben so in unserer Gesteinsbeschreibung. Wir sind doch nur Laien und haben unseren Fund, nach der Beschreibung bei Rudolph‘s „noch mehr Strandsteine“ Seite 118, dargestellt.
 
Dort steht, Zitat: „Auffallend sind die bis 1cm langen, größtenteils leistenförmigen Plagioklase, die die Hälfte des Gesteins ausmachen können. Einige wenige sind breit rechteckig bis quadratisch. Es gibt immer Gruppen von parallel ausgerichteten Feldspäten. Eine nephelin-freie Variante wird als Kauaiit bezeichnet. Oslo-Essexit-Porphyrit besitzt größere, schwarze Augite.“

Also scheint Kauaiit zu mindest auch eine Gesteinsbezeichnung zu sein. Der Ansicht scheint man auch bei skan-kristallin zu sein und im Hesemann 1975 Taf.5 Fig.7 sogar als nordisches Leitgeschiebe bezeichnet. Jedenfalls verstehen wir das so. ??? Hier mal der Link zu skan-kristallin in dem verschiedene Oslo-Essexite und Kauaiite gezeigt sind.

https://skan-kristallin.de/norwegen/gesteine/magmatite/essexit/essexit_text.html


Übrigens ein leichter Magnetismus ist vorhanden und Deinen Fund finden wir auch sehr prächtig. :)

VG von der Rentnerband und Michael

P.S. Warum kannst Du bei Deinem Fund den Osloer Graben ausschließen?
 
« Letzte Änderung: 23 Jul 19, 15:07 von Angler »

Offline Johannes Kalbe

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #3 am: 24 Jul 19, 09:58 »
Hallo,

Foide sehen wir auch nicht, sondern Plagioklase wie Du und das steht auch oben so in unserer Gesteinsbeschreibung. Wir sind doch nur Laien und haben unseren Fund, nach der Beschreibung bei Rudolph‘s „noch mehr Strandsteine“ Seite 118, dargestellt.
 
Dort steht, Zitat: „Auffallend sind die bis 1cm langen, größtenteils leistenförmigen Plagioklase, die die Hälfte des Gesteins ausmachen können. Einige wenige sind breit rechteckig bis quadratisch. Es gibt immer Gruppen von parallel ausgerichteten Feldspäten. Eine nephelin-freie Variante wird als Kauaiit bezeichnet. Oslo-Essexit-Porphyrit besitzt größere, schwarze Augite.“

Also scheint Kauaiit zu mindest auch eine Gesteinsbezeichnung zu sein. Der Ansicht scheint man auch bei skan-kristallin zu sein und im Hesemann 1975 Taf.5 Fig.7 sogar als nordisches Leitgeschiebe bezeichnet. Jedenfalls verstehen wir das so. ??? Hier mal der Link zu skan-kristallin in dem verschiedene Oslo-Essexite und Kauaiite gezeigt sind.

(...)

P.S. Warum kannst Du bei Deinem Fund den Osloer Graben ausschließen?

Hallo,

zum ersten Punkt: um Gesteine bestimmen zu können, sollte man sich mit den Grundlagen beschäftigen. Matthias Bräunlich hat zur Mineralbestimmung eine detailierte, gut und auch für interessierte Laien verständlich formulierte Anleitung geschrieben: https://www.kristallin.de/gesteine/index.htm#Anker1
Gesteine bestimmt man makroskopisch zuerst nach Mineralbestand und Gefüge. Für die Magmatite ist da die sogenannten Streckeisen- oder QUAPF-Diagramme relevant: https://de.wikipedia.org/wiki/Streckeisendiagramm

Essexit wäre da ein Foidmonzogabbro. Wenn man allerdings am Handstück makroskopisch keine Foide erkennt, landet man bei dem gezeigten Gestein bei einem Gabbro. Wenn man das Gestein herkunftsmäßig/geographisch zuordnen kann, kann man natürlich den "kurzen Bestimmungsweg" gehen, mit der Gefahr einen Fehler zu machen, den man nicht korrigieren kann, weil man nicht weiß auf welchen der übersprungenen Schritte er liegt. Da man bei den Gabbros/Ganggesteinen bei der Herkunft stark ins Schwimmen kommen kann, würde ich hier nicht zum "kurzen Weg" raten. insgesamt hat sich in letzter Zeit herausgestellt, dass so einige Leitgeschiebe Doppelgänger haben, die sie als Leitgeschiebe disqualifizieren. Dazu haben vor allem Matthias Bräunlich und Marc Torbohm einiges beigetragen (siehe, bzw. lese auch die Homepage vom M.B.).

Zum Kauaiit: der ist ein Mineral: https://www.mindat.org/min-7527.html Ein monomineralisches Gestein würde Kauaiitit heißen, das ist hier aber nicht der Fall. Ein "Beides ist möglich" ist nomenklatorisch m.W. nicht möglich. ;) Da hat in der Geschiebekunde wahrscheinlich (?) einer vom anderen immer wieder falsch abgeschrieben. So etwas kommt vor.

Zum PS: Der Fundort von meinem Stück liegt in Vorpommern. Oslogesteine kommen, bedingt durch die Eisflussrichtung der quartären Gletscher an der Ostseeküste maximal bis ins Umfeld der Wismarbucht und westlich davon vor. Oslogegendgesteine östlich davon sind immer anthropogen verschleppt, was ich bei meinem Fund nahezu ausschließen möchte. Das wiederum würde meine Argumentation beim ersten Punkt untermauern.

Offline karlov

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #4 am: 26 Jul 19, 01:08 »
Moin,
ja, ein Gabbro, mehr sehe ich da auch nicht. Essexite brauchen Foide und sind von Hand meist nicht bestimmbar. Das Gestein dürfte eine Variante des Asby/Ulvö-Diabas sein. Zumindest sind mir in Brandenburg diverse Funde von Doleriten mit vergleichbarem Gefüge untergekommen. Lieber Michael, tröste Dich, bei meinem ersten Fund habe ich auch an "was aus dem Oslograben" gedacht. Aber wie Johannes schon sagt, so läuft Gesteinsbestimmung nicht: mit Bildern im "Rudolph" vergleichen und dann die Bezeichnung nehmen, die am nächsten scheint. Zumindest nicht bei solchen "Spezialgesteinen".
@Johannes: Kauaiit ist ein Gestein. Der Name geht möglicherweise auf Brögger 1906 zurück oder ist noch älter. Die ganzen Alkaligesteine des Oslograbens haben damals putzige Namen bekommen, damit ja keiner mehr durchblickt  ;D Heute hat sich das ganze nomenklatorisch etwas gesetzt, aber aus lieber Gewohnheit werden die alten namen noch weiter verwendet, nicht nur in der Geschiebekunde. Übrigens hat das, was Brögger damals alles als Essexit bezeichnet hat, nur eingeschränkt mit der heutigen Definition zu tun. Damals mussten noch nicht mal Foide drin sein...

https://skan-kristallin.de/norwegen/gesteine/magmatite/essexit/kauaiit.html

Offline karlov

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #5 am: 26 Jul 19, 01:13 »
„Auffallend sind die bis 1cm langen, größtenteils leistenförmigen Plagioklase, die die Hälfte des Gesteins ausmachen können. Einige wenige sind breit rechteckig bis quadratisch. Es gibt immer Gruppen von parallel ausgerichteten Feldspäten. Eine nephelin-freie Variante wird als Kauaiit bezeichnet. Oslo-Essexit-Porphyrit besitzt größere, schwarze Augite.“

Btw: das ist wirklich eine gruselige Beschreibung des "Oslo-Essexit-Porphyrits", die ebenso auf einige Dolerite zutrifft und um Größenordnungen häufiger sind.

Offline Johannes Kalbe

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #6 am: 26 Jul 19, 08:33 »
@Johannes: Kauaiit ist ein Gestein. Der Name geht möglicherweise auf Brögger 1906 zurück oder ist noch älter.

Hi Marc,

hast Du dazu den Originaltext? Dass mit den sehr putzigen Mineralnamen für die Gesteine des Oslograbens ist mir bekannt, aber dass Brögger dafür hawaianische Orte als Patengeber genommen hat war mir nicht klar und würde ich gerne nachlesen. Gibt es eigentlich bei Mineral- und Gesteinsnamen Nomenklaturregeln so wie bei den Viechern?
« Letzte Änderung: 26 Jul 19, 08:40 von Johannes Kalbe »

Offline karlov

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #7 am: 26 Jul 19, 12:38 »
Moin Johannes,

natürlich hat Herr Brögger "seine" Oslo-Gesteine nicht nach hawaianischen Inseln benannt, das war ein bisschen vorschnell vermutet von mir. Hier der Auszug aus LeMaitre 2002 (Classification of Igneous Rocks) zum Kauaiit:

"A variety of monzodiorite with titanian augite, a little olivine and feldspar zoned from labradorite to oligoclase and mantled by lime anorthoclase. (Iddings, 1913, p.173; Kauai, Hawaiian Islands, USA; Tröger 284; Johannsen v.3, p.118; Tomkeieff p.292)."
Die Erstbeschreibung stammt also von Iddings. In der Handstücksammlung von Brögger (1906) dürfte der Name also nicht auftauchen.

Bezüglich der Nomenklatur von Gesteins- und Mineralbezeichnungen ist mir nichts über verbindliche Regeln bekannt. Das Gestein müsste sicherlich dann Kauaiitit (wie unhandlich!) heißen, wenn es aus diesem Mineral besteht (analog auch "Ultramafit", korrekt Ultramafitit, stilistisch besser aber: ultramafisches Gestein). Aber soweit ich das sehe, haben die nur mittelbar etwas miteinander zu tun.



Offline Angler

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #8 am: 26 Jul 19, 17:03 »
Hallo karlov,
na dann werden wir mal nur „Hübscher Gabbro“ auf sein Schildchen schreiben. :-\ Die Beschreibung des Oslo-Essexit nach dem Zandstra 1988 hatten wir auch gelesen, was uns noch ratloser werden ließ. Aber das Argument von Johannes bezüglich des Gletscherverlaufs ist nicht zu widerlegen. Wir sammeln hier ja fast am Oderstrand und gehen eigentlich nicht von einer Verschleppung aus. Da sind wir wohl ein wenig zu weit weg, um hier Osloer-Geschiebe zu finden.
Gibt es eigentlich „Butterfahrten“ für Rentner nach Oslo? ;D

VG von der Rentnerband und Michael 

Offline karlov

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #9 am: 27 Jul 19, 22:19 »
Doch, Oslo-Geschiebe gibt es an der Oder schon. In Hohensaaten haben ein Sammelkollege und ich bisher 8 Rhombenporphyre gefunden. Der Oslo-Essexit ist keiner, weil 1. der Mineralbestand nicht passt/ nicht erkennbar ist und 2. das Gestein als Geschiebe nicht sicher erkennbar ist.
Heute war ich in Niederlehme und habe einen ganz ähnlichen Diabas gefunden. Die sind nicht so selten. Die eingeregelten Plagioklas-Leisten könnten ein Hinweis dafür sein, dass das Gestein aus dem Randbereich eines Ganges stammt. Einregelte Plagioklase sind hier ein verbreiteten Phänomen ("Randfazies").
Naja, "hübscher Gabbro". Ihr könnt das gute Stück auch Dolerit oder Diabas nennen. Selbst mit "Diabas vom Åsby/Ulvö-Typ" würde man sich meiner Meinung nach nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Offline karlov

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #10 am: 27 Jul 19, 22:21 »
Hier der Fund vom heutigen Tag. Zeigefingerbreite 1,7 cm als Maßstab. Das Weiße ist was vom Vogel  ;)

Offline Angler

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #11 am: 28 Jul 19, 13:57 »
Hallo karlov,

Doch, Oslo-Geschiebe gibt es an der Oder schon. In Hohensaaten haben ein Sammelkollege und ich bisher 8 Rhombenporphyre gefunden.

dass ist sehr interessant und spannend. Wir hatten hier auch schon Geschiebe gefunden, die zumindest Rhombenporphyren sehr ähnlich waren, wenn auch sehr selten.
Aber vor einigen Tagen hatten wir wieder einen solchen Fund. Er ist auch schon geschnitten, muss aber noch in den nächsten Tagen geschliffen werden. Wir hatten bisher gedacht, dass es nur ähnliche Steine sind und keine Mandelsteine aus der Oslo-Gegend.
Wegen Deiner Berichtigung haben wir unsere alten „Der Geschiebesammler“ Hefte durchforstet und sind auf Heft 2-3 Jahrgang 46 vom Aug. 2013 gestoßen. Dort gibt es eine Abhandlung zur „Bestimmungspraxis Rhombenporphyre“ von Herrn Jörg-Florian Jensch. Auf Seite 61 ist dort eine Karte (Abb. 14) zu sehen, auf der die Grenzen der Verbreitung von Rhombenporphyren dargestellt sind.
 
Gern hätten wir diese Karte abfotografiert und hier gezeigt, aber das geht wohl aus urheberrechtlichen Gründen nicht. Nach dieser Karte liegt unser Sammelgebiet etliche Kilometer außerhalb des östlichsten Verbreitungsgebietes. Stimmt diese Karte nicht? ???

Wir werden mal in den kommenden Tagen einen neuen Thread aufmachen und den Stein hier zeigen.

VG von der Rentnerband und Michael

Offline karlov

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Re: Oslo-Essexit?
« Antwort #12 am: 28 Jul 19, 14:51 »
Nein, die Kartenskizze stimmt nicht bezüglich der östlichen Verbreitungsgrenze von Rhombenporphyr-Geschieben. Ganz ausführlich wird die Problematik in Schulz 1973 diskutiert.

SCHULZ W 1973 Rhombenporphyrgeschiebe und deren östliche Verbreitungsgrenze im nordeuropäischen Vereisungsgebiet – Zeitschrift für geologische Wissenschaften 1 (9): 1141-1154, 5 Abb., Berlin.

 

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