Lumineszenz - Fluoreszenz - Phosphoreszenz - Persistente Lumineszenz: BegrifflichkeitenKomplexe Phänomene - einfache Begriffe?1. VorwegHeute geht es mir um die Begriffe im Zusammenhang mit Lumineszenz. Die Bezeichnung Lumineszenz selbst geht im übrigen auf Eilhard Wiedemann 1888 zurück (1), der mit der Bezeichnung "Luminescenz" das "kalte Leuchten" gegenüber dem Leuchten heißen Materials (der "Glut", engl. incadescence) unterschied. Valeur und Kollegen bieten eine interessante und gut lesbare Betractung zur historischen Enwicklung der Begriffe (2).
Wozu unterschiedliche Begriffe? Ziel ist, mit dem Begriff den zugrunde liegenden Mechanismus zu beschreiben. Mit dem Wissen um den Mechanismus gehen technische Anwendung einher - und auch Analysetechnik. In diesem Kontext möchte ich auf Datierung geologischer und archeologischer Objekte mit optisch stimulierter Lumineszenz als ein Beispiel unter vielen verweisen (3). Seit einigen Jahren ist hier viel in Bewegung - getrieben durch die Leuchtstoffentwicklung für LEDs und die Entwicklung funktionaler Leuchtstoffe für Spezialanwendungen wie
Digitales Röntgen in der Medizin oder
Functional Labelling in der Biochemie. Und manche Erkenntnisse auf diesen Gebieten sind tatsächlich erst kürzlich gemacht worden, hierzu später.
Also zunächst ein klein bisschen Physik.
Energie (Licht, elektrische Felder etc) wird von einem Atom/Ion/Molekül/funktionale Gruppe/photonisches System absorbiert, was ein Elektron anregt. Diese Anregung relaxiert wieder - dabei kann Wärme in Form von Gitterschwingungen entstehen oder/und wiederum Licht abgegeben werden.
Soweit die Grundzüge der
Lumineszenz, vereinfacht:
Anregungsenergie rein - Licht raus.Wenn zur Anregung Licht verwendet wird, landet man allgemein bei
Photolumineszenz: Licht rein - Licht raus.Hier im Atlas findet sich eine genauere Beschreibung unter
Photolumineszenz, bzw für
Lumineszenz im allgemeinen. Gerne möchte ich aber an die vielen Lehrbücher zu Lumineszenzerscheinungen verweise.
Randnotitz: Es gibt auch
Thermolumineszenz: Energie rein - Warten (kurzes/langes Warten) - Heizen - Licht raus
oder optisch stimulierte Lumineszenz (OSL): Energie rein - Warten (kurzes/langes Warten) - Licht rein - Licht raus
oder Mehrphotonenprozesse: (Licht rein+Licht rein)=Licht raus
- aber zu diesen Spezialformen später mehr.
2. FluoreszenzDamit beleuchten wir den ersten Begriff: Fluoreszenz. Erfunden hat den Begriff Sir George Gabriel Stokes 1852 in einer Fußnote. Er schreibt (4):
"I confess I do not like this term (Anm.: er bezieht sich auf die Bezeichnung dispersive reflexion). I am almost inclined to coin a word, and call the appearance fluorescence, from fluor-spar, as the analogous term opalescence is derived from the name of a mineral." Hier im Lexikon beschreiben wir
Fluoreszenz als den Vorgang, "bei dem durch eingestrahltes Licht, in der Regel UV-Licht, ein Elektron auf ein angeregtes Niveau gehoben wird und praktisch unmittelbar darauf in den Grundzustand zurückkehrt und dabei ein Photon im sichtbaren Spektralbereich abgibt".
So etwa fasst es auch die Definition der IUPAC (
International Union of Pure and Applied Chemistry) in ihrem
Gold Book: Chemical Terminology (5), (
siehe auch hier).
Dazu folgende Bemerkungen:
"...in der Regel UV-Licht..." - nein. Definitiv nicht. Das Licht muss lediglich geeignet sein, den Prozess auszulösen. Das kann sehr wohl auch durch Gamma, Röntgen, blaues, grünes, gelbes, nahinfrarotes... Licht erfolgen - wenn es denn geeignet ist (vgl. z.B. die Anegbarkeit von Cr
3+ in Rubin -was übrigens keine Fluoreszenz ist - oder Szintillatoren, also Gamma/Röntgenphotonen rein und UV...Blau...Grün etc raus). Allerdings ist es für unsere Wahrnehmung bequem, mit UV zu beleuchten: wir sehen UV nicht und deshalb hebt sich dann ein Leuchten sehr deutlich vom Hintergrund ab. Versucht man das mit einer Photokamera ohne geeignete Filterung - da stört auch das UV.
"...ein Photon im sichtbaren Spektralbereich abgibt." - nein. Auch das nicht. Die Emission kann auch im UV oder im Infraroten erfolgen, z.B. bei Cuprorivait oder auch Mn
5+-haltigem Apatit (6,7). beide Mineralien zeigen im übrigen keine Fluoreszenz, dazu später mehr. Woher wissen die Elektronen, welchen Energieunteschied wir sehen? Warum sollten sie unsere Sehgewohnheiten denen von z.B. Bienen bevorzugen? Also: die Emission entspricht dem Energieunterschied bei der strahlenden Relaxation des angeregten Zustands minus der nichtstrahlend über Phononen (Gitterschwingungen) abgegebenen Energie.
"...praktisch unmittelbar darauf..." Das wiederum ist meiner Meinung nach eine sehr gelungene Formulierung, die viele andere Versuche einer Beschreibung schlägt - aber sie ist leider nicht sehr präzise. Gelungen ist sie, weil auch Fluoreszenz eine Lebensdauer hat und eben nicht direkt mit den Ausschalten der anregenden Lichtquelle aufhört, wie es vielfach heißt. Gegenüber der Pulsdauer von, sagen wir, 10 fs kommerziell erhältlicher Lasersysteme sind Lebensdauern von, sagen wir, 2.5 ns fast eine Ewigkeit - da liegt mehr als ein Faktor 100000 dazwischen. Aber unser Auge ist zu langsam. Wer das Flackern von Energiesparlampen gesehen hat, dessen Augen können vielleicht Prozesse auf der Skala von 10 ms trennen. Auch zwischen 2.5 ns und 10 ms liegt ein Faktor von mehr als 100000 dazwischen. Und das ist der Grund, warum die Beschreibung leider nicht gut weiterhilft.
Stützen wir den Begriff auf die physikalischen Mechanismen, die dem Phänomenen zugrunde liegen. Für die Fluoreszenz bedeutet dies:
Fluoreszenz ist die Lumineszenz einer Paritäts- und Spin-erlaubten Relaxation (in der Regel in den Grundzustand). (8)
Das wiederum hat viel mit Quantenmechanik zu tun. Elektronen als Fermionen müssen sich in einer Quanteneigenschaft unterscheiden. Nur deshalb gibt es im übrigen die Niveaus... Andererseits gibt es nicht nur für Energie sondern auch für Drehimpulse Erhaltungssätze. Spin ist (sowas wie) der Eigendrehimpuls des Elektrons und wegen der Erhaltungssätze gibt es Auswahlregeln, die besagen, wer wie wohin hüpfen darf... Salopp gesagt.
Charakteristisch für Fluoreszenz sind Lumineszenzlebensdauern im Bereich von ps bis einigen ns (10
-12...10
-9 s) bei exponentiellem Abklingen der Lumineszenz und in der Regel ohne (bzw. nicht meßbarem) Anklingen der Lumineszenz. Insbesondere sind die Übergänge lokal begrenzt, es finden keine Transportphänomene wie lichtinduzierte Leitfähigkeit oder dergleichen statt.
Jetzt ist in einem Mineral typischerweise die Situation wesentlich komplexer, als in einem (organischen) Molekül. Da der Kristall eine hohe Ordnung hat, aber kein Elektron in allen Quanteneigenschaften einem zweiten gleichen darf, muss mehr berücksichtigt werden. Symmetrien und gebrochene Symmetrien verändern ebenfalls die Übergänge. Und dann schlägt sich auch noch die kristalline Ordnung an den jeweiligen Einbaupositionen nieder, Stichwort
Crystal Field. Kompliziert.
Strenggenommen gibt es in anorganischen Festkörpern (wie den meisten Mineralien) deswegen
keine Fluoreszenz, sondern nur andere Formen der Lumineszenz. Weniger strenggenommen, und wenn wir uns auf Spin-erlaubte Übergänge reduzieren, könnte für die Leuchtzentren Ce
3+ und Eu
2+ - mit etwas Kopfweh - von Fluoreszenz gesprochen werden (9, 10): diese weisen Spin-erlaubte Übergänge auf.
Mineralienbilder: Lumineszierende Mineralien
Mineralienbilder: Lumineszierende Mineralien
Mineralienbilder: Lumineszierende Mineralien
Mineralienbilder: Lumineszierende Mineralien
Konkret ein paar Beispiele. Man könnte vielleicht sagen: Fluorit fluoresziert blau (Eu
2+-Emission). Um aber nicht in die Verlegenheit zu kommen den Nachweis führen zu müssen, dass dieser Fluorit tatsächlich fluoresziert und nicht aufgrund anderer Mechanismen leuchtet, bevorzuge ich dennoch den Satz: Fluorit luminesziert blau.
Die lumineszierenden organischen Einschlüsse, die Georg und Norbert zeigen, dürften ebenfalls mit Fluoreszenz korrekt beschrieben sein, ebenso wie die Lumineszenz organischer Kristalle (z.B. der Refikit von Stefan).
Und sonst? So ohne weiteres sieht man einem leuchtenden Mineral den zugrunde liegenden Mechanismus nicht an.#
(nächster Begriff: Phosphoreszenz)
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(1) Wiedemann, E. (1888). Ueber Fluorescenz und Phosphorescenz I. Abhandlung. Annalen der Physik, 270(7), 446-463. Wörtlich:
"Neben dieser Art der Lichtentwicklung kennen wir aber eine andere, bei der durch äussere Ursachen ohne entsprechende Steigerung der Temperatur ein Leuchten erzeugt wird. [...] Ich möchte für diese zweite Art der Lichterregung, für die uns eine einheitliche Benennung fehlt, den Namen
Luminescenz vorschlagen, und Körper, die in dieser Weise leuchten, luminescierende nennen. Wir würden dann das durch auffallendes Licht erregte Leuchten als Photoluminescent bezeichen, welche sich je nach seiner Instantaneität oder längeren Dauer in Fluorescenz oder Phosphorescenz trennen würde." so Wiedemann 1932.
(2) Valeur, B., & Berberan-Santos, M. N. (2011). A brief history of fluorescence and phosphorescence before the emergence of quantum theory. Journal of Chemical Education, 88(6), 731-738.
(3) Preusser, F., Degering, D., Fuchs, M., Hilgers, A., Kadereit, A., Klasen, N., ... & Spencer, J. Q. (2008). Luminescence dating: basics, methods and applications. Eiszeitalter & Ggenwart Quaternary Science Journal, 57(1/2), 95-149.
(4)
George G. Stokes, On the Change of Refrangibility of Light, Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 142 (1852) pp463-562(5) IUPAC. Compendium of Chemical Terminology, 2nd ed. (the "Gold Book"). Compiled by A. D. McNaught and A. Wilkinson. Blackwell Scientific Publications, Oxford (1997). Online version (2019-) created by S. J. Chalk. ISBN 0-9678550-9-8.
https://doi.org/10.1351/goldbook.
(6) Accorsi, Gianluca, et al. "The exceptional near-infrared luminescence properties of cuprorivaite (Egyptian blue)." Chemical Communications 23 (2009): 3392-3394.
(7) Reiche, I., et al. "Comparative analysis of odontolite, heated fossil ivory and blue fluorapatite by PIXE/PIGE and TEM." Nuclear Instruments and Methods in Physics Research Section B: Beam Interactions with Materials and Atoms 161 (2000): 737-742.
(8) Baryshnikov, G., Minaev, B., & Ågren, H. (2017). Theory and calculation of the phosphorescence phenomenon. Chemical reviews, 117(9), 6500-6537.
(9) Bünzli, J. C. G., & Eliseeva, S. V. (2010). Basics of lanthanide photophysics. In Lanthanide Luminescence (pp. 1-45). Springer, Berlin, Heidelberg.
(10) Gaft, Michael, Renata Reisfeld, and Gerard Panczer. "Modern luminescence spectroscopy of minerals and materials." (Buch) Springer, 2015.
EDIT 1: Nochmals präzisiert.
EDIT 2: Um Links ergänzt, die Beschreibung erweitert und Beispiele eingefügt.
EDIT 3: Weitere Hinweise und Literatur eingefügt und Zitat Wiedemanns zum Begriff Lumineszenz ergänzt 05.06.2020.