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https://www.mineralienatlas.de/forum/index.php/topic,56863.msg383528.html#msg383528-----
Englischer Orignaltext [24.10.22]:
Nomenclature of polymorphs and polysomes
New guidelines for the nomenclature of polymorphs and polysomes have been approved by the CNMNC:
– Polymorphs with different crystal systems are distinguished by the prefixes cubo- (cubic), hexa- (hexagonal), tetra- (tetragonal), trigo- (trigonal), ortho- (orthorhombic), clino- (monoclinic), and anortho- (triclinic).
– Polymorphs with different crystal systems but showing a pseudosymmetry should show the prefix “pseudo-”.
– Polymorphs with the same crystal system but different space groups are distinguished by the prefix “para-”. If three or more polymorphs show the same crystal system but different space groups, the space group notation may be added as a suffix, but such a nomenclature should be avoided if possible.
– Polymorphs with the same space group are distinguished by the prefix “para-”.
– Minerals with polymorph suffixes but with different chemical compositions cannot be considered as true polymorphs, so we recommend using the prefix “meta-”, which indicates a close but significantly different chemical composition.
– Polysomatic symbols have to be placed as a suffix, which indicates the number and types of modules which alternate in the structure as in the högbomite supergroup, or as prefixes as in the sartorite homologous series.
These recommendations have to be applied for future new mineral proposals, but the modifications of historical and well-established names have to pass through the CNMNC for approval. In order to be consistent with the new guidelines, 25 mineral names were modified: domeykite-β becomes trigodomeykite, fergusonite-(Y)-β becomes clinofergusonite-(Y), fergusonite-(Ce)-β becomes clinofergusonite-(Ce), fergusonite-(Nd)-β becomes clinofergusonite-(Nd), ice-VII becomes cubo-ice, roselite-β becomes anorthoroselite, sulfur-β becomes clinosulphur, mertieite-II becomes mertieite, mertieite-I becomes pseudomertieite, uranophane-α becomes uranophane, uranophane-β becomes parauranophane, gersdorffite-P213 becomes gersdorffite, gersdorffite-Pa3 becomes paragersdorffite, gersdorffite-Pca21 becomes orthogersdorffite, betalomonosovite becomes paralomonosovite, lammerite-β becomes paralammerite, nováčekite-I becomes hydronováčekite, nováčekite-II becomes nováčekite, halloysite-7Å becomes halloysite, halloysite-10Å becomes hydrohalloysite, metauranocircite-I becomes metauranocircite, taimyrite-I becomes taimyrite, uranocircite-II becomes uranocircite, andorite IV becomes quatrandorite, and andorite VI becomes senandorite.
Diesen Beschluss finde ich nur begrenzt umsetzungswürdig, da er meines Erachtens nach langfristig zu mehr Fragen als Antworten führt. Aus diesem Grund würde ich zumindest bei einem Teil der Bezeichnungen die alte deutsche Varaiante (nur davon red ich) beibehalten und eine neue, angepasste Variante nur als alternativ anbieten.
Warum?
Der Beschluss suggeriert, dass para- pseudo- etc. auf Polymorphie hinweisen. Dies wird allerdings nicht einheitlich als Konzept durchgehalten und vorallem wurde das System in der Vergangenheit keineswegs so genutzt. Dadurch entstehen möglicherweise Fehlschlüsse, die unnötig sind. Siehe auch die Kommentare von Micha (openpit).
Existente Beispiel der Nutzung von Pseudo etc:
"Pseudo"Pseudomalachit-Malachit
Pseudobrookit-Brookit
Pseudorutil-Rutil
Nebenbemerkung: eben genau nicht in der logik Rutil->Rutil, Anatas->Pararutil, Brookit->Orthorutil
Pseudograndreefit Pb6SO4F10 - Grandreefit Pb2SO4F2
Pseudoboleit Pb31Cu24Cl62(OH)4 - Boleit KPb26Ag9Cu24(OH)48Cl62
Pseudojohannit Cu6.5(UO2)8O8(SO4)4(OH)5·25H2O- Johannit Cu(UO2)2(SO4)2(OH)2·8H2O
Pseudolyonsit Cu3(VO4)2 - Lyonsit Cu
32+Fe
43+(VO
4)
6 Nebenbemerkung: Pseudolyonsit ist dimorph zu Mcbirneyit
... die Liste ist nicht vollständig.
"pseudo" bezeichnet in der Vergangenheit zumeist eben genau nicht Polymorphien sondern "fast nur wie"- bzw."optisch ähnlich" oder "chemisch fast"- Bezüge
"Para"Parasymplesit-Symplesit
Paraschoepit-Schoepit
Nebenbemerkung: das sind eher Umwandlungsformen als Polymorphe?
Paratobermorit-Tobermorit
Paratacamit-Atacamit
... auch hier habe ich nur Stichproben gezogen.
In den meisten Fällen wird "para-" tatsächlich als Kennzeichnung einer polymorphen Form benutzt, aber nicht durchgängig. Umgekehrt gibt es sehr viele polymorphe Formen, die einen vollständig eigenen Namen haben.
(Für die anderen Präfixe könnte man das durchaus auch anschauen.)
Polytypie
Das System ist inkonsequent: Einzelne Korrekturen im Sinne des oben genannten wurden umgesetzt, andere bleiben offen.
Umgesetzt wird:
gersdorffite-P213 becomes gersdorffite,
gersdorffite-Pa3 becomes paragersdorffite,
gersdorffite-Pca21 becomes orthogersdorffite
Offen ist
Polybasit-Tac (Sb > As – Einheitenzelle Typ 111) – alter Name: Antimonpearceit)
Polybasit-T2ac (Sb > As – Einheitenzelle Typ 221) – alter Name: Polybasit
Polybasit-M2a2b2c (Sb > As – Einheitenzelle Typ 222) – alter Name: Polybasit
Argentopolybasit-T2ac
Pearceit-Tac
Pearceit-T2ac
Pearceit-M2a2b2c
Fiedlerit-2M
Sapphirin-1A
Sapphirin-3A
Sapphirin-5A
Sapphirin-2M
Sapphirin-4M
Mckelveyit-(Y)-1A
Mckelveyit-(Y)-2M
Zirkonolith-2M
Zirkonolith-3O
Zirkonolith-3T
Magnesiotaaffeit-6N’3S
Magnesiotaaffeit-2N'2S
Magnesionigerit-6N6S
Magnesionigerit-2N1S
auch diese Liste ist nur eine Stichprobe.
Die Mineralien dieser Liste bezeichnen Polytypen (d.h. keine eigenständige Minerale) und nicht polymorphe Formen (eigenständige Minerale)- zumindestens mehrheitlich... Das meint (unsere Beschreibung unter der Stichwort Polytypie):
"Polytypie ist ein besonderer Fall von Polymorphie.
Als Polytypen werden Substanzen definiert, welche in verschiedenen strukturellen Modifikationen auftreten, wovon jede so betrachtet werden kann, als wenn sie aus gestapelten Schichten (atomaren Struktureinheiten) mit (nahezu) identischer Struktur und Zusammensetzung und mit Modifikationen, welche nur in ihrer Stapelfolge (Sequenz) voneinander abweichen, aufgebaut sind."
Sowie ich die Regel "Polymorphs with different crystal systems but showing a pseudosymmetry should show the prefix “pseudo-”." könnte sie auf diese Formen zukünftig angewendet werden.
Rein aus Bezeichnungsicht ist der Unterschied Polymorphie-Polytypie nicht gut eingefangen. Das Ziel der Klärung wird mit dem Vorschlag der Richtlinie hier nicht erreicht.
Chemie
"Minerals with polymorph suffixes but with different chemical compositions cannot be considered as true polymorphs, so we recommend using the prefix “meta-”, which indicates a close but significantly different chemical composition."
Zukünftig könnte eine Mineral wie Cuproklodowskit (H3O)2Cu(UO2)2(SiO4)2·2H2O somit als "chemisch unterschiedliche polymorphe Form" von Sklodowskit (H3O)2Mg(UO2)2(SiO4)2·2H2O betrachtet werden: Metasklodowskit.
Und auch die Apatit-Gruppe würde in sich zusammenfallen - solch einen Vorschlag gab es ja schon einmal.
Umgekehrt sind Cinnabarit und Metacinnabarit zwei polymorphe Minerale derselben chemischen Zusammensetzung und wären damit eher Paracinnabarit und Cinnabarit zu bezeichnen.
Die Bezeichnung "meta-" wurde bislang nicht eindeutig verwendet um polymorphe Formen unterschiedlicher Chemie (!) - allein dies erscheint mir schon ein grober Widerspruch - voneinander abzugrenzen. Die zukünftigen Spielräume, die durch diese Formulierung entstehen, erscheinen mir viel zu groß.Ice-VII vs Cubo-Ice
Mit Ice-IIV wird seit Langem die kubische Phase festen Wassers bezeichnet, vorallem auch in Chemie, Physik und Astrophysik. Eine Suche nach Ice-VII liefert viele relevante Daten. Eine entsprechende suche nach Cubo-Ice liefert aktuell vorallem Ergebnisse aus sozialen Medien, die in keinster Weise mit der Physik von Materie unter extremen Bedingungen zu tun haben.
Zeigt die Namenswahl der IMA, dass sie sich von der Wissenschaft (hier Chemie, Physik und Astrophysik) distanzieren will und sich nun eher den sozialen Medien zuwendet? Sucht sie ein Alleinstellungsmerkmal zur Abgrenzung?
Kamb, B., & Davis, B. L. (1964). Ice VII, the densest form of ice. Proceedings of the National Academy of Sciences, 52(6), 1433-1439.Fazit:Tatsächlich erwarte ich, dass es an dieser Stelle zukünftig viel Bewegung geben könnte - vorallem auch zurück zu anderen Namen, wenn sich nämlich nach genauer Untersuchung doch herausstellt, dass es sich nicht um eine polymorphe Form sondern um eine eigenständige Form handelt. Daher ist für mich diese Regel - im Übrigen wie die Abkürzungen - eine jener Regeln, die sich bald (5-10Jahre) in Überarbeitung befinden.
Das ist jetzt eine konkrete Aussage meinerseits, bei der ich begründe, warum wir die rückwirkende Änderung bestehender Namen zunächst nicht umsetzen würden. Aber bitte - das sehe ich vorallem als Denkanstoß.
Gruß, Martin
EDIT: ErgänztEDIt: Ergänzt