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Autor Thema: Gezähe  (Gelesen 3059 mal)

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Offline Lexikon

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Gezähe
« am: 29 Dec 22, 13:32 »
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Deutschland/Sachsen/Erzgebirgskreis/Schneeberg, Lagerstätte
Gezähe

Offline etalon

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Gezähe
« Antwort #1 am: 29 Dec 22, 13:32 »
Hallo Jörg,

das ist ein sehr interessantes Kistchen, welches du da hast. ;)

Kann man die Stücke darin irgend wie datieren? Besonders die erhaltenen Holzschäfte? Die sind ja bei solchen Funden eher nicht so häufig anzutreffen…

Hast du die Teile irgend wie konserviert?


Grüße Markus

Offline rutilquarz

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Re: Gezähe
« Antwort #2 am: 29 Dec 22, 22:01 »
Hallo Markus,
ja, die Kiste gefällt mir auch! Die herausragenden beiden Teile, also Peuschel  und Keilhaue, sind nicht altersmäßig untersucht. Sie wurden bei Bergsicherungsarbeiten in nicht rißkundiger Auffahrung gefunden und es konnte auch kein aktenkundiger Nachweis über dortiges  Bergbaugeschehen gefunden werden - leider. Für eine rein dendrologische Bestimmung  sind die Hölzer wohl zu dünn. Wäre  zum Bsp.  noch eine Radiokarbon-Bestimmund möglich. Da habe ich aber keine Beziehungen und das wird wohl nicht  billig sein. Von dem Stiel ist ein kleines Teil abgeplatzt (sieht man auf dem Bild), das hab ich aufgehoben und vielleicht ist es irgendwann von Nutzen.
Die 2 nagelartigen Teile (rechts neben Stielende) und die "Bauklammer" mit dem darüberliegenden Fahrtenhaken sind in den Aushubmassen des St. Georg Kunstschachtes in ca 30m Tiefe gefunden worden. Der ist schon kurz nach dem  großen Silberfunden aufgegeben und verfüllt worden und wird schon Mitte des 16. Jhd. als "vor hundert Jahren verfallen" bezeichnet. Kann man also etwa von einem Zeitfenster 1475-1520 ausgehen.
Der andere Fahrtenhaken stammt aus der sogenannten "Großen Wand", also dem Verbruchgebiet eben jenes  großen Silberfundes 1470-80.
Die diversen Bergeisen kann ich auch nur annähernd über die Betriebsgeschichte (sofern vorhanden) der entsprechenden Fundlokalitäten zuordnen, hier ist`s grob gesagt das 17.-19. Jhd.
Konserviert sind die Teile nicht, nur schonend mechanisch gereinigt und immer absolut trocken aufbewahrt. Ich kann über die vielen Jahre auch keine Veränderungen bemerken.

Dir einen  guten Rutsch in`s neue Jahr, mit Glück Auf!

Jörg

Offline uwe

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Re: Gezähe
« Antwort #3 am: 29 Dec 22, 22:36 »
Spitzen Sammlung alter Bergwerkzeuge.

Gruß und gesundes Neues Jahr
Uwe

Offline ruebezahl

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Re: Gezähe
« Antwort #4 am: 29 Dec 22, 23:37 »
Glück auf,

Faszinierende Sammlung!

Zur Radiocarbon-Altersbestimmung: für montanhistorische Fragestellungen wenig geeignet, weil die Halbwertszeit von 14C mit 5730 ± 40 a für Objekte jünger 500 a keine montanhistorisch brauchbaren Ergebnisse bringen (was will man mit +- 100 a ?). Hinzu kommt noch der Suess-Effekt (Verdünnung des lokalen Atmosphären-14C durch exzessive Verbrennung fossiler C-Träger in historischen Bergbauzentren. Alles in allem eine wenig belastbare Sache. Die spätmittelalterlich/frühneuzeitliche Archäologie ist radiometrisch ziemlich alleingelassen ...

VG und evtl schon mal "Gute Fahrt" ins neue Jahr
ruebezahl
« Letzte Änderung: 29 Dec 22, 23:46 von ruebezahl »

Offline etalon

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Re: Gezähe
« Antwort #5 am: 30 Dec 22, 00:03 »
Hallo Jörg,

absolut klasse Sammlung!
Danke für die Einordnung in der Timeline. Ich bin von dem guten Erhaltungszustand der Holzschäfte überrascht. Das entspricht unkonserviert nicht dem Zustand, welchen ich bei mehrere hundert Jahre alten Nasshölzern erwarten würde.
Ich habe mal ein Bergeisen aus dem 17. - 18. Jhd gefunden, welches auch noch eine originale Holzschäftung hat. Nach einer sorgfältigen Grobreinigung hat schon während der Fotodokumentation der Holzschaft oberflächlich angefangen zu zerbröseln (so wie er angefangen hat zu trocknen). Ich habe das Teil dann sofort wieder in Aqua dest. gelegt und mich erst mal eingehend mit archäologischer Konservierung von Kombiartefakten (Eisen/Nassholz) befasst. Dann über Monate hinweg das Teil professionell archäologisch konserviert, so dass nun kein weiterer Zerfall droht. Das war wohl für mein archäologisches Debüt das undankbarste Objekt, welches man sich aussuchen kann, da die gängigen Methoden für die Nassholzkonservierung das Eisen angreifen, und umgekehrt. Aber lange Rede, kurzer Sinn, es hat geklappt…  :D

Daher finde ich es um so erstaunlicher, dass es bei dir völlig ohne Konservierung funktioniert. Das deutet für mich darauf hin, dass entweder die Artefakte mit Holzschäftung nicht ganz so alt sind, oder aber über die meiste Zeit trocken gelegen haben. Was natürlich der Besonderheit der Funde keinen Abbruch tut, im Gegenteil!

Eine Überlegung zu dem krummen Holzschaft des Schlägels: Wäre es möglich, dass der Schaft erst durch die Einbettung nach Verlust in die krumme Form gezwungen wurde, z.B. indem vllt. ein schwerer Stein oder Holzstempel nach Versturz über lange Zeit darauf gedrückt hat? Dafür könnte auch die Stelle der Bruchbeschädigung sprechen. Aber dann hättest du ihn wahrscheinlich nicht gefunden?

Auf jeden Fall ein beindruckendes Ensemble!

Dir auch einen guten Rutsch nach 2023!

Grüße Markus

Offline rutilquarz

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Re: Gezähe
« Antwort #6 am: 30 Dec 22, 00:44 »
Bin freudig überrascht wegen dem Interesse.

Erst  mal danke an Rübezahl für die Info. Man lernt eben nie aus. Da werde ich mich wohl mit "ist ganz  schön alt" begnügen müssen.

Auf die Frage von Markus: Ich habe schon mehrmals auf alten Abbildungen diesen gekrümmten Stiel gesehen und es anfänglich als zeichnerische Ungenauigkeit betrachtet. Scheint aber tatsächlich so verwendet worden zu sein. Die Teile hab ich von Lothar Wetzel, der war nach dem Krieg Chef der Bergsicherung Schneeberg und hat die Stücke gefunden. Sie sollen völlig in feinem sandartigen Absätzen auf der Sohle einer Strecke gelegen haben. Das hat wohl gut konserviert. Außerdem herrschen in Schneeberg arsenidische Erze vor, diese Verbindungen könnten zusätzlich einen günstigen, fäulnishemmenden Einfluss haben. Ist natürlich Spekulation.

Ich besitze übrigens von dem Fundpunkt noch ein Grubenholz, ist ein nach den Jahresringen ein ca 15 Jahre alter (Nadel?)Baum, ob das für dendrologische Untersuchungen reicht?

Grüße Jörg

Offline grille

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Re: Gezähe
« Antwort #7 am: 30 Dec 22, 01:06 »
Hallo Jörg,
zum Thema krummer Stiel: Es könnte/dürfte sich um einen sogenannten "Schlenkerhammer" handeln.
Durch die Krümmung konnte man "überkopf", in niederen Abbauen, leichter "schwungholen".
GA Johann

Offline etalon

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Re: Gezähe
« Antwort #8 am: 30 Dec 22, 01:13 »
Zitat
Ich habe schon mehrmals auf alten Abbildungen diesen gekrümmten Stiel gesehen und es anfänglich als zeichnerische Ungenauigkeit betrachtet. Scheint aber tatsächlich so verwendet worden zu sein. Die Teile hab ich von Lothar Wetzel, der war nach dem Krieg Chef der Bergsicherung Schneeberg und hat die Stücke gefunden. Sie sollen völlig in feinem sandartigen Absätzen auf der Sohle einer Strecke gelegen haben. Das hat wohl gut konserviert.

Ja, das ist gut möglich. War nur Spekulation meinerseits. Ob der sandige Absatz trocken oder nass war ist wahrscheinlich nicht überliefert?

Zitat
Außerdem herrschen in Schneeberg arsenidische Erze vor, diese Verbindungen könnten zusätzlich einen günstigen, fäulnishemmenden Einfluss haben. Ist natürlich Spekulation.

Das ist eine Überlegung, welche ich tatsächlich auch damals angestellt hatte!  ;D
Das Bergeisen von mir stammt auch aus einem Abbaugebiet in Deutschland, welches sehr Arsenhaltig ist. Ich halte das durchaus für möglich, allerdings ohne einen entsprechenden Beweis anführen zu können.

Zitat
Ich besitze übrigens von dem Fundpunkt noch ein Grubenholz, ist ein nach den Jahresringen ein ca 15 Jahre alter (Nadel?)Baum, ob das für dendrologische Untersuchungen reicht?

Das kann ich dir leider nicht sagen. Außer einem partiellen, beiläufigen Interesse habe ich mit Archäologie bislang nichts am Hut gehabt…  :D

Grüße Markus

Offline ruebezahl

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  • Lieber Steinwein als Steinschlag
Re: Gezähe
« Antwort #9 am: 30 Dec 22, 12:47 »
Glück auf Jörg,

Ich besitze übrigens von dem Fundpunkt noch ein Grubenholz, ist ein nach den Jahresringen ein ca 15 Jahre alter (Nadel?)Baum, ob das für dendrologische Untersuchungen reicht?

Leider auch hier wenig Aussichten. Man benötigt mindestens etwa 40 Ringe für einen zuverlässigen Abgleich. Außerdem muss eine regionale Standard-Vergleichschronik und das auch noch für die entsprechende Holzart verfügbar sein.
Und auch dann hast Du erstmal nur den Wachstumszeitraum. Die Zeit von da an über die Fällung bis zum Einsatz als Grubenholz ist dann die nächste Nuss.

Ich bin kein Archäologe, hatte aber über Kontakt zu einer Landesarchäologin ab und an mal Einblicke in diverse Problematiken.

Im Altbergbau ist evtl. die Untersuchung von Schlämmen und Sintern ein Ansatz für Datierungen.

VG ruebezahl
« Letzte Änderung: 30 Dec 22, 13:02 von ruebezahl »

Offline rutilquarz

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Re: Gezähe
« Antwort #10 am: 30 Dec 22, 22:31 »
Hallo Uwe,
das ist ja zum Weinen! Die letzte Hoffnung, die Sedimente vom Fundort zu untersuchen, ist auch vergebens. Das ist jetzt alles in meterdickem Beton eingeschlossen. Geht vielleicht mal in 100.000 Jahren,wenn die Erosion gearbeitet hat.
Schade ist`s, aber es bleiben ja trotzdem interessante und erhaltenswerte Sachen.
Nochmal danke für die Infos.

Mit Glück Auf!

Jörg

Offline Chrisch

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Re: Gezähe
« Antwort #11 am: 30 Dec 22, 23:15 »
Für "Nichteingeweihte" eine gute Darstellung des Schlenkerbohrens:
https://www.sagen.at/doku/bergbau/Schlenkerbohren.html

Gruß Chrisch

 

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