Hallo,
bei Kylindrit oder Merelaniit ist es ja anscheinend so, dass alle Kristalle dieses geschichtet, gekrümmtes Wachstum zeigen. Es ist dort Teil deren Struktur.
Bei Tubulit, Boulangerit usw. tritt dieses Phänomen in der Tat nur vereinzelt zwischen den vielen normalen Nadeln auf. Effekte die alle Kristalle gleichzeitig betreffen würden wie z.B. eine Wachstumsbehinderung durch ein oberseitig abgelagertes Fremdmineral, kann man also ausschließen. Auch Bildungsunterschiede durch eine anhaltende gleichgerichtete Strömung der Lösung würden alle Kristalle betreffen.
Es muss also ein Effekt sein, der nur gelegentlich vorkommt, aber welcher?
- Eine Epitaxie käme in Frage. Auf der bestehenden seitlichen Oberfläche einer Nadel entsteht ein neuer Kristall eines anderen Minerals mit geringer Fehlpassung, die zu der Verspannung und Krümmung führt.
- Ein Aufwachsen eines Kristalls des gleichen Minerals in Zwillingsstellung währe auch denkbar, durch die orthorhombische Symmetrie von z.B. Boulangerit sind die Möglichkeiten sehr begrenzt. Ich kann mir eigentlich keine Zwillingsbildung vorstellen, die noch nadelig weiter wächst.
- Eine weitere Möglichkeit währe, dass ein Kristall in gleicher Stellung auf der bestehenden Oberfläche des Wirtskristalls entlang wächst und sich an der Spitze ein sich selbst erhaltendes System von Strukturdefekten einstellt, dass das Gitter gleichbleibend aufweitet und so zu der Verspannung führt.
Von den Grenzflächen in Zwillingen ist schon lange bekant, dass sie Versetzungen entlang der Zwillingsfläche erzeugen, die wiederum zu der typischen Verzerrung führen, aber eine Krümmung durch ein so möglicherweise aufgeweitetes Gitter ist mir bei Zwillingen nicht bekannt.
- Auch wäre eine Aufweitung durch den Einbau von Fremd-Ionen denkbar. Auf seitlichen Flächen der bestehenden Nadel könnte sich eine Passivierungsschicht gebildet haben und der angenommen gleich orientiert aufwachsende Kristall müsste diese erst verdrängen, wodurch es zum erhöhten Einbau von Fremd-Ionen kommen könnte.
Ein solches gestuftes Wachstum einer zweiten gleich orientierten Nadel, hätte auch Einfluss auf die Morphologie an deren Spitze und könnte, ähnlich wie die schwarzen Sanduhrzeichnungen beim Brookit, durch einen flächenabhängigen Einbau von Fremd-Ionen führen und dadurch zu einem leicht abweichenden Gitter.
Mein Favorit ist bisher die Epitaxie, mich wundert aber, dass eine solch abweichende Fremdstruktur bei den Untersuchungen im TEM bisher unentdeckt blieb.
Dass diese Ringe und Röhren gelegentlich auch ohne die begleitenden Nadeln beobachtet werden, hat einen anderen Grund. Sie rieseln durch ihren gedrungenen Habitus einfach aus dem sicherlich auch ehemals vorhanden "Gestrüpp" heraus und liegen so getrennt von den Nadeln auf den begleitenden Mineralien oder wie beim losen Federerz am Boden der Plexidose.
@ cmd.powell
Für die unterschiedliche Stoffzufuhr an Innen- und Außenseite muss ja die Krümmung bereits vorhanden sein aber wie kam es zu ihr?
Wenn man z.B. einen Draht mechanisch verformt ist nimmt die Krümmung bis zu einem Maximum an der Knickstelle zu. Bei unseren nadeligen Kristallen ist dies nicht der Fall, sie wachsen meist entweder gekrümmt oder nicht. Selbst bei kleinen Knicken ist ein kleiner Kreisbogen ohne Übergangsradien ausgebildet, was wie ich meine eine äußere mechanische Ursache für diese Krümmungen auch ausschließt.
Glück Auf!
Josef