Die Alpen
Faltengebirge
Tektonische Decken (Überschiebungsdecken)
Tektonische Fenster und Tektonische Klippen
Faltengebirge
Die Erdoberfläche setzt sich nach der Theorie der Plattentektonik aus sieben größeren und einigen kleineren Lithosphärenplatten (Kontinentalplatten) zusammen, die sich mit einigen cm pro Jahr gegeneinander verschieben. Treffen zwei Platten aufeinander, treten Schubkräfte auf, die zu einer Auffaltung oder Stapelung der Krustengesteine führen. Hierdurch entsteht entlang der Plattengrenze eine Gebirgskette. Vor ca. 30–50 Millionen Jahren, begann so die Auffaltung der Alpen durch die Kollision der Eurasischen mit einem Teil der Afrikanischen Platte.
Faltengebirge entstehen, wenn mindestens zwei Platten der Erdkruste sich aufeinander zubewegen und aufeinander Druck ausüben, was dazu führt, dass die Kruste in der Kontaktzone der beiden Platten verformt und emporgedrückt („aufgefaltet“) wird. Faltengebirge sind die häufigste Hochgebirgsform auf der Erde. Sie sind an konvergierenden Plattenrändern durch Einengung und Hebung (Orogenese) entstandene Gebirge, deren Bau überwiegend durch Faltung, meist aber auch durch Deckenüberschiebungen (Deckenbau) gekennzeichnet ist.
Fast alle „jungen“ Faltengebirge der Erde sind in den letzten 20 bis 40 Millionen Jahren in der alpinen Gebirgsbildung, der letzten dieser Phasen, entstanden. In dieser Phase entstanden unter anderem der Hohe Atlas, die Pyrenäen, die Alpen und die Karpaten, die Dinariden, die Gebirgszüge der Türkei, das Zagros-Gebirge in Persien, der Himalaya und die westlichen Gebirge von Burma, Thailand und Indonesien.
In der heutigen Alpenregion wurden die Ausgangsgesteine in mehreren Meeresräumen abgelagert; die damals gebildeten Meeressedimente waren bis zu einigen Kilometern dick und wurden in einem komplizierten Prozess, dessen Hauptphase vor etwa 70 Millionen Jahren begann, zu einem Gebirge aufgefaltet.
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Alte Faltengebirge sind weitgehend abgetragen und nur noch geologisch-stratigraphisch definierbar (z B. Varisziden). Die plattentektonische Konstellation der Erdneuzeit (Känozoikum) führte zur Entstehung eines Faltengebirgsgürtels (engl. alpine chain) entlang konvergierender Plattenränder, wobei der Baustil echter Faltengebirge nur teilweise verwirklicht ist. (GeoDZ) Die geologische Auffaltung der Alpen als mehrstufiger Prozess begann vor etwa 135 Millionen Jahren an der Wende von der Jura- zur Kreidezeit, hatte die letzte wichtige Phase vor etwa 30 bis 35 Millionen Jahren im Tertiär, hält aber in abgemildeter Form noch weiter an
Deckengebirge
Deckengebirge sind Gebirge, welche großteils aus tektonischen Decken, Überschiebungs- oder Schubdecken durch starken seitlichen Schub ohne Ausweichmöglichkeit aufgebaut oder über weite Flächen von einer Decke überschoben wurden. Diese o.a. Decken sind flache oder gewellte Gesteinskörper in Faltengebirgen, die oft mehrere Kilometer mächtig sind und eine Ausdehnung von bis zu mehreren tausend Quadratkilometern besitzen können. Die verschobenen Gesteinskörper können von ihrem Ursprungsgebiet, der Deckenwurzel, bis zu ihrem vorderen Rand, der Deckenstirn, viele Kilometer und sogar über 100 km bewegt worden sein. Decken, die unter Mitwirkung der Schwerkraft an gering geneigten Flächen abgeglitten sind, werden als Gleitdecke bezeichnet.
In Faltengebirgen sind oft mehrere jeweils durch Verwerfungen voneinander getrennte Decken übereinander geschoben und bilden ein Deckensystem. Die Decken im jeweiligen Überschiebungsgebiet bezeichnet man auch als allochthon, darunter liegende nicht verschobene Krustenbereiche hingegen als autochthon. Parautochthone Decken sind im Vergleich zu ihrem Ursprungsort nur leicht verschoben.
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Ursachen der Deckenbildung
Ursache einer Deckenbildung ist starker seitlicher Druck auf schon vorhandene Wölbungen der Erdkruste, der meist auf großräumige Plattentektonik zurückgeht. Diese Vorgänge bei der Kollision von Meeres- oder Kontinentalplatten wurden am 29. August 1912, an der Zusammenkunft der Geologischen Vereinigung in Innsbruck, erkannt und gehen vermutlich auf Bewegungsvorgänge im oberen Erdmantel zurück. Wenn nun ein Stück der Erdkruste von sehr starker tektonischer Einengung betroffen ist, kann es auf einer flach ansteigenden, festeren Unterlage zu einer horizontalen Überschiebung über andere, benachbarte Gesteins- oder Gebirgskörper kommen.
Im Detail ist der Mechanismus der Deckenbildung nicht völlig geklärt. Bei der Überschiebung der im Vergleich zu ihrer Ausdehnung sehr dünnen Gesteinspakete spielt ein erhöhter Porenwasserdruck eine Rolle, durch den die Decke gleichsam nach oben gedrückt und ihr Widerstand auf der Gleitfläche stark verringert wird. Auch das Vorhandensein von nachgiebigen Schichten wie Salzlagern, Mergeln oder Tonsteinen unterstützt die Bildung von Deckenbahnen.
Beispiele alpiner Decken
In den Alpen bestehen große Teile des Gebirges aus weit überschobenen Deckensystemen. So sind die Decken der Nördlichen Kalkalpen, der Grauwackenzone und begleitende Gesteine mindestens 150 km über ihr Unterlager überschoben worden, wahrscheinlich betrug die Transportweite jedoch mehr als 1000 km. Auch die Gesteine des Penninikums und des Helvetikums in der Schweiz, in Frankreich und in Österreich sind als Decken über ähnliche Entfernungen transportiert worden. Dies gilt ebenfalls für große Gebiete im Apennin, in den Karpaten und den anderen Gebirgen der alpidischen Orogenese wie dem Himalaya.
Tektonische Fenster
Das Pendant zur tektonischen Klippe ist das tektonische Fenster, die Öffnung oder Lücke in einer Überschiebungsdecke.
Als Fenster oder tektonisches Fenster wird in der Geologie ein durch Erosion oder horizontale Erdkrustenbewegungen freigelegter (aufgeschlossener) Teil des Untergrundes einer tektonischen Decke bezeichnet. Sie kommen häufig in jenen Faltengebirgen wie den Alpen vor, deren Aufbau (Tektonik) stark durch Überschiebungen geprägt ist.
Geologischer Bau eines tektonischen Fensters
Solche Fenster treten als Öffnungen oder Lücken in einer weiträumigen Überschiebungsdecke zutage, wobei die im Untergrund liegenden -- meist älteren -- Gesteine der überschobenen Decke zutage treten. Dadurch wird inmitten ursprünglich tiefer liegender Gesteine bzw. Formationen ein ursprünglich höher liegender Teil der Erdkruste sichtbar.
Die Gesteine im Fenster liegen demnach tektonisch tiefer (tektonisch Liegendes) als ihre Rahmengesteine und sind rundum von tektonisch höher liegenden Gesteinen (tektonisch Hangendes) umgeben. Sie erlauben somit wie durch ein Fenster den Einblick in den geologischen Untergrund. Meistens sind ältere Gesteine über jüngere überschoben, nur in speziellen geologischen Situationen ist dies umgekehrt.
Von einem Halbfenster spricht man, wenn dieser Aufschluss des Untergrundes nicht an allen Seiten von den Gesteinen der Decke umgeben ist.
Das Pendant zum geologische Fenster ist die > Tektonische Klippe. Der Abstand zwischen einer Klippe und einem Fenster gibt die minimale Überschiebungslänge an.
In Gebirgen, insbesondere jungen Faltengebirgen, findet man tektonische Fenster vielfach in Tälern oder im Kern von Antiklinalen (Sätteln).
Die zwei größten Fenster in den Ostalpen sind das Unterengadiner Fenster (Ostschweiz) und das Tauernfenster (Salzburg/Kärnten). Kleinere Fenster sind im Westen u.a. das Vättner Fenster und das Gargellenfenster, im Osten das Semmeringfenster und an der ungarischen Grenze das Rechnitzer Fenster.
Tektonische Klippen
Als Klippe wird in der Tektonik der Teil einer tektonischen Decke (Überschiebungsdecke) bezeichnet, der durch Erosion vollständig vom Hauptkörper der Decke abgetrennt und dadurch nicht mehr in physischem Kontakt mit diesem ist. Klippen liegen tektonisch höher (Hangendes) als die Nebengesteine und sind rundum von tektonisch tiefer liegenden Gesteinen, dem Liegenden, umgeben. In aktiven Gebirgen wie den Alpen findet man Klippen hauptsächlich als Gipfel (Klippen) bzw. hohe Gebirgskämme aufbauende Einheiten oder im Kern von Synklinalen (Mulden). Zu den bekanntesten Klippen gehören die Dent Blanche und das Matterhorn in den Westalpen.
Musterbeispiel einer tektonischen Klippe sind die Mythen in den Schweizer Alpen. Sie liegen zwischen dem Talkessel von Schwyz, den sie im Nordosten abschliessen, und dem Alptal. Geologisch sind die Mythen penninische Klippen, das heisst Überbleibsel der mittelpenninischen Decken.
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Heute steht fest, dass Entstehungsort und heutige Lage der Mythen nicht identisch sind. Die Gesteine sind in einem Teil des Ur-Mittelmeeres entstanden und wurden von dort beim Aufbau der Alpen durch den faltenartigen Zusammenschub des Ozeanbodens nahezu 150 km nordwärts gedrängt. Im Verlauf der Hebung der Alpen haben Wasser und Eis das Relief herausgearbeitet, höhere Decken zerstört und abgetragen und nur noch Relikte – die heutigen Felspyramiden – zurückgelassen. Schliesslich formten während der letzten zwei Millionen Jahre Gletscher in den Eiszeiten das Relief. In der letzten Kaltzeit (etwa 70'000 Jahre v. Chr.) bedeckte der vereinte Reuss-Muota-Gletscher den Talkessel. Im Raum Schwyz erreichte der Eispanzer eine Mächtigkeit von rund 800 Metern; demzufolge ragten die Mythen als Felseninsel heraus. Entsprechend sind an den beiden Bergen auch heute noch Relikte von Moränen zu beobachten. Grösstenteils sind diese jedoch von nacheiszeitlichen Bergstürzen aus dem Mythengebiet zugedeckt worden. Das Pendant zur tektonischen Klippe ist das tektonische Fenster, die Öffnung oder Lücke in einer Überschiebungsdecke.
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