Mineralienatlas - Fossilienatlas
Paläogeographische Rekonstruktion der Verteilung der Kontinente während des Paläozoikums. Legende: orange - aktive Orogenesen, blau - Subduktionszonen, rot - Riftsysteme |
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Die Variszische (oder auch Variskische) Orogenese ist ein europäischer Begriff für die Gebirgsbildung (Orogenese) im Mittleren Paläozoikum, welche infolge von Plattenbewegungen durch die Kollision von Gondwana mit dem alten Old-Red-Kontinent (Laurussia) verursacht wurde.
Die Bezeichnung variszisch stammt vom Namen des germanischen Stammes der Varisker im heutigen Vogtland, der geologische Fachausdruck wurde um 1880 vom Wiener Geologen Eduard Suess geprägt. Im amerikanischen Sprachgebrauch wird die Variszische Orogenese auch als Alleghenische Orogenese bezeichnet.
Ursprünglich bezeichnete der Begriff in der Geologie das NE-SW-Streichen beliebiger Gesteinseinheiten oder Gebirgszüge als Gegenteil zur hercynischen Streichrichtung, erst mit der Zeit erkannte man in Mitteleuropa die Zugehörigkeit verschiedener variszisch streichender Gebirge zu einem zusammenhängenden Orogen.
Die Varisziden erstrecken sich von der Sierra Madre Oriental in Mexiko über die Ouachitiden (Arkansas und Oklahoma), die Appalachen, den Anti-Atlas (Marokko und Algerien) und über weite Teile Europas und Kleinasiens hinweg bis zum Ural. Auch verschiedene Gebirgszüge in Asien (Pamir, Tianshan etc) zählen im weitesten Sinn zu den Varisziden.
Die wichtigsten Gebirgsbildungen waren die Auffaltung des Ural, kleinere Gebirgszüge in Südengland und Südirland und die Aufhebung des mauretanischen Gebirges in Nordwestafrika gegenüber der Appalachen.
Siehe auch Gondwana, Pangaea, Kontinentaldrift
Einen ersten wichtigen Schritt zur Entstehung des Variszischen Gebirges stellte bereits der Zerfall des Superkontinents Rodinia in mehrere Großkontinente im späten Neoproterozoikum vor etwa 750 Ma dar.
Paläogeographische Untersuchungen lassen darauf schließen, dass sich im Verlauf der folgenden 100 Ma zuerst Laurentia, Baltica (Osteuropäischer Kraton) und Sibirien, später auch eine Reihe kleinerer Terrane wie Avalonia und Armorica von Gondwana lösten und nach Norden drifteten. Zwischen diesen Kontinentplatten kam es zur Entstehung großer Ozeanbecken: dem Iapetus zwischen Laurentia und Baltica, dem Tornquist-Ozean zwischen Baltica und Avalonia und dem Rheischen Ozean. Auch Armorica war wahrscheinlich durch einen schmalen Ozean von Gondwana abgetrennt.
Während des Altpaläozoikums kollidierte zunächst Avalonia mit Baltica, unter der Schließung des Iapetus-Ozeans und Bildung der Kaledoniden vereinigten sich Laurentia und Baltica anschließend zum Großkontinent Laurussia (Old-Red-Kontinent). Armorica verblieb bis zum ausgehenden Ordovicium nahe Gondwana, zerfiel jedoch wahrscheinlich in mehrere, jeweils durch Becken voneinander getrennte Mikrokontinente.
Ab dem Mittleren Silur bis zum Oberen Devon näherten sich Gondwana und der neugebildete Old-Red-Kontinent (Laurussia) wieder aneinander an. Durch gegenläufige Subduktion unter den Südrand Laurussias (bzw. den Mikrokontinent Avalonia) kam es zur Schließung des Rheischen Ozeans, die Mikrokontinente wurden zusammengeschoben und im Laufe des Karbons sowohl nach Norden auf Laurussia, als auch nach Süden auf Gondwana überschoben - in Mitteleuropa entstanden das Saxothuringikum und das Moldanubikum als innere Zone des Variszischen Gebirges. Faltung und Überschiebungsvorgänge in den dem Mikrokontinent Avalonia aufliegenden Sedimenten führten im weiteren Verlauf zur Bildung der Rhenohercynischen Zone.
Bis zum Ende des Oberkarbons war die Bildung des Variszischen Gebirges mit der Vereinigung von Laurussia und Gondwana zum Großkontinent Pangäa abgeschlossen. Das Variszische Gebirge wurde bereits im Oberkarbon zu einem großen Teil abgetragen, das Verwitterungsmaterial sammelte sich in Vortiefen (Subvariszicum) und in vereinzelten innervariszischen Becken. Heute liegt es als Rumpfgebirge vor, welches teilweise unter jüngeren Sedimentstapel der West- und Mitteleuropäischen Plattform begraben liegt.
Die Varisziden in Mitteleuropa lassen sich in zwei Gebirgszüge unterscheiden. Ein nördlicher Zug reicht von Polen über die deutschen Mittelgebirge und Belgien bis nach Süd-England und Irland und findet schließlich seine Fortsetzung an der Nordamerikanischen Westküste. Der südliche Gebirgszug erstreckt sich von Sardinien und Korsika über die Balearen und die Iberische Halbinsel bis in das Gebirge des Hohen Atlas in Marokko und Tunesien.
Im Süden und Südosten kam es durch die Alpine Orogenese im Oberen Jura bis Tertiär zu einer starken Überprägung von ursprünglich variszischem Gebirge. Der Verlauf ist daher nicht vollständig geklärt, dazugezählt werden aber die Pyrenäen, einige Bereiche der französischen Alpen (Belledonne, Pelvoux, Mercantour), das Aarmassiv in der Schweiz und der Montblanc, im Südosten die Dinariden und Gebirgszüge in Griechenland und der Türkei.
Das Variszische Gebirge in Mitteleuropa wird von Nord nach Süd in mehrere Zonen gegliedert.
Das Subvariszikum ist eine im Oberen Karbon angelegte Saumsenke an der Orogenfront und lässt sich von Süd-Irland und den Ardennen über das Ruhrgebiet bis nach Oberschlesien verfolgen. In dieser Vortiefe kommt es zu zyklischen Ablagerungen aus Kohleflözen und Molassesedimenten, magmatische Aktivitäten und Metamorphose - abgesehen von einer frühvariszischen Faltung - finden kaum statt.
Die kohleführenden Sedimente des Subvariszikum sind die Grundlage für die ausgedehnten Kohlereviere in Belgien und Frankreich, dem Ruhrgebiet und im Oberschlesischen Kohlebecken.
Das Rhenohercynikum erstreckt sich von Ost nach West über den Flechtinger Höhenzug, den Harz, das Rheinische Schiefergebirge und die Ardennen bis nach SW-England und Irland.
Das Rhenohercynikum ist ein nördlicher Teiltrog des zwischen Laurussia im Norden und Gonwana im Süden liegenden Beckenbereichs und wird vor allem aus Devonischen bis Oberkarbonischen Sedimenten gebildet. Stärkere Dehnungen während der Auffaltungsphase führen stellenweise zum Aufstieg von vulkanischen und magmatischen Gesteinen.
Charakteristisch für das rhenohercynische Becken in Mitteleuropa sind zwei unterschiedliche Faziesbereiche: während des Devon werden vorwiegend klastische Sedimente des Old-Red-Kontinents (Laurussia) abgelagert, mit fortschreitender Orogenese ändert sich ab dem Unterkarbon die Schüttungsrichtung, Liefergebiet ist jetzt nicht mehr Laurussia, sondern Gondwana im Süden.
Im Oberkarbon erfasst die Variszische Orogenese auch den Südrand des Old-Red-Kontinents, dabei kommt es zur Ausbildung SW – NE streichender und NW-vergenter großräumiger Sattel- und Muldenstrukturen.
Mittel- und Westeuropäische Varisziden AF: Front des Alpen-Karpaten-Orogens, KF: Front der Kaledoniden, VF: Front der Varisziden. Nicht maßstabsgetreu, die Iberische Halbinsel ist rückrotiert. Verändert nach KATZUNG (2006) und POWELL (2005). Copyright: Erik; Contribution: Erik Image: 1203704620 License: Usage for Mineralienatlas project only |
Mittel- und Westeuropäische Varisziden |
AF: Front des Alpen-Karpaten-Orogens, KF: Front der Kaledoniden, VF: Front der Varisziden. Nicht maßstabsgetreu, die Iberische Halbinsel ist rückrotiert. Verändert nach KATZUNG (2006) und POWELL (2... |
Erik |
Das Saxothuringicum reicht vom Südwesten der Iberischen Halbinsel über das Armorikanische Massiv, die Vogesen, die nördlichen Teile des Schwarzwaldes, den Odenwald und den Spessart bis in das Sächsisch-Thüringische Schiefergebirge und den Nordwestrand der Böhmischen Masse.
Das Saxothuringikum ist ein südlicher Teiltrog des zwischen Laurussia im Norden und Gonwana im Süden liegenden Beckenbereichs. Es ist im Gegensatz zum Rhenohercynikum aber viel komplizierter aufgebaut. Charakteristisch sind Gesteinsserien verschiedener Faziesbereiche aus meist klastischen Gesteinen, Karbonaten und syn- bis postorogenen Vulkaniten mit jungpräkambrischen bis jungpaläozoischen Bildungsaltern. Die Gesteine unterliegen einer höheren Metamorphose mit intensivem Deckenbau, werden stark gefaltet (SE-Vergenz), geschiefert und verschuppt, ausgeprägterer Magmatismus führt vor allem im Karbon zur Bildung von Granitkörpern.
Die Moldanubische Zone umfasst den größten Teil der Böhmischen Masse, des Schwarzwalds und der Vogesen, Teile der kristallinen Westalpen und des französischen Zentralmassivs, den Südteil des Armorikanischen Massivs und setzt sich bis in die Galizisch-Kastilische Zone auf der Iberischen Halbinsel fort.
Das Moldanubikum setzt sich aus überwiegend hochmetamorphen Gesteinen - Gneise, Migmatite, Granulite, Eklogit - und ausgedehnten Komplexen aus syn- bis postorogenen Magmatiten zusammen. Die variszische Hauptfaltungsphase, die zu einem intensiven Deckenbau führte, beginnt bereits zu Beginn des Unterkarbon und endet im Viséum.
Die Westasturisch-Leonesische Zone tritt nur auf der Iberischen Halbinsel auf und wird als Gegenstück des Saxothuringikums auf der nördlichen Seite der Moldanubischen Zone betrachtet. Sie setzt sich vor allem aus kambrischen, ordovizischen und silurischen klastischen Gesteinen zusammen, Metamorphosegrad und Magmatismus nehmen im Vergleich zum Moldanubikum ab.
Die Kantabrische Zone tritt nur auf der Iberischen Halbinsel in Nordspanien auf und wird als das externe, gefaltete Vorland des variszischen Gebirges betrachtet. Aufgebaut wird sie vorwiegend aus nicht bis gering metamorphen klastischen Sedimenten und Karbonaten aus dem gesamten Paläozoikum.